Konzept der Markttechnik

Die Markttechnik: eine moderne Form der Dow-Theorie

Seit einigen Jahren gibt es einen Begriff, der bei vielen Analysten durchaus Begeisterungsstürme erzeugt: Markttechnik“. Thematisch kann man sie der Technischen Analyse zuordnen. Anwender verfolgen das Ziel, Richtung und Trendstärke einer Kursbewegung zu bestimmen. Das war schon die Idee von Charles Henry Dow, einem Urvater der Technischen Analyse.

Markttechnik ist keine Charttechnik

Bei der Charttechnik geht es darum, anhand eines Kursverlaufes typische Formationen wie Dreiecke oder Flaggen zu identifizieren und darauf basierende Handelssignale zu generieren. Charttechniker konzentrieren sich auf Trendkanäle und versuchen Trendrichtung und -stärke zu bestimmen.
Ein klassischer Markttechniker würde vermutlich die willkürliche Vorgehensweise des Charttechnikers kritisieren. Markttechniker stören die Subjektivität und Fehleranfälligkeit der Chartanalyse. Für sie sind Standardkursformationen zunächst sekundär, denn sie wollen eine klare Trendbestimmung, die überall nach dem gleichen Muster abläuft. Ein Deutscher kann einem Chinesen einen Chart mit Markttechnik zusenden und dieser wird ihn sofort nachvollziehen können.

So funktioniert die Markttechnik

Wenn Markttechniker ihre Theorie erklären, fangen sie gerne mit dem Orderbuch an. Schließlich sind die Börse und das dazugehörige Orderbuch die Basis für die Entstehung eines Kursverlaufes. Das Orderbuch ist jedoch nicht zwingend notwendig, um das Prinzip der Markttechnik zu verstehen. Alles, was man wissen muss, ist die Tatsache, dass bei zunehmender Nachfrage der Kurs steigt oder der Kurs bei zunehmendem Angebot fällt. Wer das Markttechnikprinzip verstanden hat, kann sich auch anschließend dem tieferen Verständnis des Orderbuchs widmen.

Anstieg und Korrektur bei einer Aufwärtsbewegung

Bild 1: Anstieg und Korrektur bei einer Aufwärtsbewegung

Das obere Bild zeigt die typische 1-2-3-Zählweise der Markttechnik. Eine Aufwärtswelle startet am Punkt 1. Am Ende der Welle zeigt das Top den Punkt 2. Anschließend geht der Markt in eine Korrektur über. Der Punkt 3 ist das Ende der Korrektur. Anschließend läuft der Kurs nach oben und übertrifft das Top von Punkt 2.

In der Tradingpraxis sieht der Trader, dass sich ein Punkt 2 gebildet hat. Ob er sich bestätigt, hängt jedoch von der Korrekturwelle ab. Der Zählmechanismus ändert sich, sobald die Gegenbewegung den Punkt 1 unterschreitet.

Markttechnik mit Fehler

Bild 2: Die Kursbewegung nach Punkt 2 entscheidet, ob ein Punkt 3 entsteht. Die beiden Variationen des Kursverlaufes sind in rot und in blau dargestellt. Entweder überwindet der Kurs das Top bei Punkt 2, dann kann Punkt 3 gesetzt werden (roter Kursverlauf). Andernfalls fällt der Kurs unter dem Niveau von Punkt 1, und die Zählung muss umgedreht werden (blauer Kursverlauf).

Die 1-2-3-Kursmuster bilden einen Trend

Im Bild 2 ist die 1-2-3-Zählung zur besseren Unterscheidung farblich abgestimmt. In einem Aufwärtstrend wird der ehemalige Punkt 3 zum neuen Punkt 1. Voraussetzung dafür ist, dass das relative Hoch an Punkt 2 überschritten wird. Entweder überwindet der Kurs das Top bei Punkt 2, dann kann Punkt 3 gesetzt werden (roter Kursverlauf). Andernfalls fällt der Kurs unter das Niveau von Punkt 1 und die Zählung muss umgedreht werden (blauer Kursverlauf). Ein Abwärtstrend beginnt.

Gehen wir von einem Aufwärtstrend aus, dann kann mit jedem neuen Hoch eine neue 1-2-3-Zählung begonnen werden (Bild 3). Starke Trends dauern sehr lange an und die Markttechnik folgt konsequent dem Trend. Die 1-2-3-Zählung muss so lange fortgesetzt werden, bis es zu einem Trendbruch kommt (siehe Bild 4).

Trendbildung mit 1-2-3-Zählung

Bild 3: Trendbildung mit 1-2-3-Zählung

Im oberen Bild sind die 1-2-3-Zählungen zur besseren Unterscheidung farblich abgestimmt. In einem Trend sind Punkt 3 und Punkt 1 identisch.

Die 1-2-3-Zählung zeigt die Stabilität des Trends. Sie setzt sich so lange fort bis es zu einem Trendbruch kommt.

 Trendbruch mit 1-2-3-Zählung

Bild 4: Trendbruch mit 1-2-3-Zählung

Der Pfeil im Bild zeigt den Zeitpunkt, wann der Trend gebrochen wird. Zu diesem Zeitpunkt dreht sich die Zählmethodik um. Das Top wird somit der Ausgangpunkt für die Abwärtsbewegung (rote Zählung).

Die Markttechnik im Tradingmodus

Die meisten Markttechniker nutzen die Zählung auch, um ihre Stopps zu setzen. In einem Aufwärtstrend entsteht mit dem Zielmechanismus auch ein praktischer Trailing-Stopp. Das bedeutet, der Stopp wird abhängig von der Zählung nachgezogen und sichert bestehende Kursgewinne ab (siehe Bild 5).

 

Trailing-Stop auf Basis der 1-2-3-Zählung

Bild 5: Trailing-Stop auf Basis der 1-2-3-Zählung

Die Anhänger der Markttechnik haben in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen. Weil viele Trader ihren Stoppkurs kurz unterhalb von Punkt 3 setzen, kann man sich leicht vorstellen, was passiert, wenn es zum Bruch des Aufwärtstrends kommt. Nicht selten wird eine große Anzahl Stopporders ausgelöst. Der Kurs rutscht dann ruckartig nach unten. Wer seinen Stoppkurs immer an der puren Markttechnik ausrichtet, könnte sich also einen Nachteil einhandeln. Im kleinen Rahmen lassen sich Kurse von großen Marktteilnehmern durchaus manipulieren. Sobald der Kurs in die Nähe eines Punktes 3 kommt, könnte ein großer Marktteilnehmer auf die Idee kommen, mit einer Verkaufsorder die Stopps unterhalb von Punkt 3 auszulösen, um anschließend mit sehr günstigen Einstiegskursen den Markt wieder über Punkt 3 zu heben – er würde die Stopps also abfischen. Es muss allerdings betont werden, dass das nur ein Gedankenspiel ist. Nicht jeder Punkt 3 muss Ausgangspunkt einer Manipulation sein.

Mit der Markttechnik dem Trend folgen

Bei strenger Auslegung der 1-2-3-Zählsystematik gibt es im Prinzip zum Trendstart nur einen einzigen Einstiegspunkt: beim Überwinden von Punkt 2. Nur dann kann auch Punkt 3 festgelegt werden. So weiß der Trader, dass er sich trendkonform verhält. Ist der Trend erst einmal gestartet, ergibt sich eine zweite sinnvolle Möglichkeit, um eine Position einzunehmen. In diesem Fall ist ein Einstieg in der Konsolidierungsbewegung machbar. Wenn der Trader es schafft, nahe am Punkt 3 einen Einstieg zu finden, dann reduziert er sein Risiko beträchtlich (siehe Bild 6).

 

Bild 6: Der typische Long-Einstieg mit Markttechnik und das resultierende Risiko.

Mit dem trendkonformen Einstieg an Punkt 2 lässt sich das Risiko genau berechnen. Es ist die Kursdifferenz aus Punkt 2 und 3. Mit dieser Vorgehensweise ist ein systematisches Money- und Risikomanagement möglich.

Tages-Chart des DAX mit 1-2-3-Zähltechnik

Bild 7: Tages-Chart des DAX mit 1-2-3-Zähltechnik

Der obere Chart zeigt den DAX im Tages-Modus. Zur optischen Abgrenzung wurde ein Zick-Zack-Indikator hinzugefügt, der bei 2%-Kursveränderung eine Richtungsumkehr vollzieht. Wie man an diesem Bild sieht, gibt es relativ viele Umkehrbewegungen. Für den Markttechniker ist es wichtig, den Überblick zu behalten. Das „Chart-Auge“ sollte so trainiert werden, dass der übergeordnete Trend im Fokus bleibt. Standardfrage: Wo befindet sich der Kurs im langfristigen Zusammenhang? Mit der Fragestellung lassen sich viele Fehlsignale vermeiden.

Die 1-2-3-Zählmechanik kann ein Trader in allen Zeitebenen umsetzen. Jeder Chart lässt sich in unendlich viele Teilsegmente zerlegen (Fraktale). Je detailverliebter der Trader ist, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass er den Überblick verliert. „Er sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht.“ Das gilt es zu beachten.

Gute Trader warten auf handelbare Marktphasen, und interpretieren nicht jedes „Kurszucken“. Hat der Trader einen Punkt 2 identifiziert, ist es sinnvoll, nicht sofort eine Einstiegsorder zu platzieren. Besser ist es, den Blick zunächst auf die höhere Zeitebene zu richten. Wenn die höhere Zeitebene die gleiche Trendrichtung vorgibt, dann steigt damit die Wahrscheinlichkeit des Trading-Erfolgs.

Fazit: Nur Trendmuster zählen

Als Markttechniker sollte man immer versuchen, sich in Trendrichtung zu positionieren. Mit der 1-2-3-Zählweise ist es möglich, jeden Chart in einzelne Kurssegmente zu zerlegen. So kann sich der Trader einen umfassenden Überblick über den Markt verschaffen. Es gibt keine Vorschriften zum Zeitrahmen. So kann man zum Beispiel eine langfristige Analyse mit Monatscharts umsetzen. Der Zählmechanismus unterscheidet sich nicht von der Zählung in einem 1-Minuten-Chart.

Für Markttechniker ist es wichtig, stets den Überblick zu behalten. Das „Chartauge“ sollte so trainiert werden, dass der übergeordnete Trend im Fokus bleibt. Jeder Chart lässt sich in unendlich viele Teilsegmente zerlegen (Fraktale). Aber je detailverliebter der Trader ist, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass er den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Gute Trader warten auf handelbare Marktphasen und interpretieren nicht jedes Kurszucken. Hat der Trader einen Punkt 2 identifiziert, ist es sinnvoll, nicht sofort eine Einstiegsorder zu platzieren. Besser ist es, den Blick zunächst auf die höhere Zeitebene zu richten. Wenn sie dieselbe Trendrichtung vorgibt, dann steigt die Wahrscheinlichkeit des Tradingerfolgs auch auf der unteren Ebene.

 

 

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