Super-Trader werden gemacht – und nicht geboren

Der menschliche Charakter passt nicht zum Trading

Der Traum vom großen Geld steckt in uns allen. Vermutlich gibt es deshalb einen unaufhaltsamen Strom an neuen Börsianern. Inzwischen existieren einige aussagekräftige Auswertungen hinsichtlich des Trading-Erfolgs. Die umfangsreichste stammt von der französischen Börsenaufsicht, und dort waren nur 11% der Konten im positiven Bereich. Dass es zu einem so eklatanten Missverhältnis von Gewinner und Verlierern kommt, kann nicht mit Börsengebühren oder Pech erklärt werden. Die Ursachen sind psychologischer Natur. Es scheint so, als ob die menschliche Natur nicht für das Trading geschaffen wäre.

Ein Drawdown beschädigt das Ego

Besonders im Bereich des Daytradings zeigen sich die Unterschiede. Wer Daytrading betreibt, trifft in einer kurzen Zeitspanne viele Entscheidungen. Beim erfolgreichen Trading gibt es niemals die Situation, dass alle Informationen zur Verfügung stehen. Im Gegenteil, es bleibt stets eine Entscheidung unter Unsicherheit. Das nagt am Trader, und in Drawdown-Phasen verstärkt sich der empfundene Erfolgsdruck nochmals.

Resilienz ist ein Begriff aus der Psychologie. Sie beschreibt die psychologische Widerstandsfähigkeit. Wer eine hohe Resilienz in sich trägt, der kann besonders gut mit Niederlagen oder Krisen umgehen. Stellt man die Bandbreite der Resilienz als Skala dar, dann kann man zwei Extremtypen entdecken.

Bild: Bandbreite der psychologischen Widerstandsfähigkeit

Als Normalo wird hier der Durchschnittstyp charakterisiert. Seine Gewinne und Verluste gleichen sich aus, und seine Rendite geht langfristig gegen null Prozent.

Das Sensibelchen hat es besonders schwer

Dann gibt es noch das Sensibelchen. Wie der gewählte Begriff vermuten lässt, handelt es sich, um einen sehr feinfühligen Charakter. Das Sensibelchen ist eigentlich nicht für das Trading geeignet, weil dieser Trader-Typ ständig versucht den Markt zu erfühlen oder zu verstehen. Zu oft verzettelt er sich in den unerklärbaren Zufallsbewegungen des Marktes. Seine feinfühlige Vorgehensweise wirkt sich negativ auf das Trading-Ergebnis aus. Das Hauptproblem liegt beim Eingreifen in laufende Trades.

Zu kleine Einzelgewinne

Obwohl er grundsätzlich eine hohe Trefferquote erzielen kann, sind seine durchschnittlichen Einzelgewinne zu klein. Die Ursache liegt in seiner sensiblen Natur begründet. Überall fühlt er Schwierigkeiten und Risiken. Mit seinen Sorgen und Befürchtungen greift er zu oft in einen Trade ein, ohne dass es Handelsbedarf gibt. Er zweifelt an seiner eigenen Analyse. Aus Furcht schließt er lieber den Trade, um wenigstens einen kleinen Gewinn zu erzielen. Gerne setzt er auch seinen Stopp-Kurs unverhältnismäßig eng, um damit seine Nerven zu beruhigen. Der Markt läuft jedoch nicht immer in einem gleichmäßigen Rhythmus. So passiert es, dass eine kleine Zufallsbewegung den Stopp auslöst, und der Markt anschließt in die erwartete Richtung läuft.

Das langfristige Trading-Ergebnis leidet darunter. Das Sensibelchen hat ein Gewinnpotenzial von -10%. Im Gegensatz zum Betonkopf geht er allerdings niemals Pleite, weil er die schwierigen Marktphasen genau fühlen kann. Bevor der Totalverlust eintreten kann, beendet er lieber seine Trader-Karriere.

Betonköpfe – Sturheit wird belohnt

Ganz anders tickt der Betonkopf. Zu den Betonköpfen muss man übrigens auch Algorithmen zählen. Die effektive Umsetzung von Handelssignalen ist der Sinn jedes programmierten Handelsprogramms. Es entspricht dem Willen des Betonkopfes. Die strenge Emotionslosigkeit ist der Wettbewerbsvorteil, der für eine Rendite am Ende des Jahres steht. Das zahlt sich mit einem Gewinnpotenzial von 10 bis 20% pro Jahr aus.

Der Betonkopf kann sehr gut mit Drawdowns umgehen kann. Seine Resilienz ist extrem hoch. Die Betonköpfe sind langfristig erfolgreich an der Börse. Der ganz große Wurf bleibt allerdings aus, weil ihre Sturheit dazu führt, dass sie zu spät Marktveränderungen entdecken. Es gibt immer wieder Situationen, in denen ein Markt abrupt von einem Trendmarkt zu einem zyklischen Verhalten übergeht. Betonköpfe glauben erst dann an einen Rhythmuswechsel, wenn sie größere Verluste erleiden mussten. Deshalb geben Betonköpfe oft einen größeren Anteil ihrer Buchgewinne wieder ab.

Super-Trader werden nicht geboren – sie werden trainiert

Um an der Börse erfolgreich zu sein, benötigt man eine gehörige Portion Sturheit. Doch wie ist es mit den Super-Tradern? Sie sind eine Rarität, weil sie weder den Betonköpfen noch den Sensibelchen zuzuordnen sind. Super-Trader gehörten ehemals zu der einen oder anderen Gruppe, und dann haben sie sich weiter entwickelt. Man könnte sagen, dass sie sich mehrfach einer „eigenen Gehirnwäsche“ unterzogen haben. Sie besitzen die besondere Eigenschaft, dass sie, in Abhängigkeit von der Marktsituation, zwischen Sensibelchen und Betonkopf switchen können. Diese Fähigkeit ist nicht angeboren – sie ist antrainiert.

Der Unterschied zeigt sich im Trend

Ein Super-Trader hat die Fähigkeit einen langen Trend über viele Monate optimal auszuschöpfen, und nahe am Höhepunkt auszusteigen. Während der Betonkopf ebenfalls im Trend Gewinne erzielt, muss er bei einer Trendwende 30 bis 40 % seiner Buchgewinne wieder abgeben.

Der Super-Trader ist dagegen in der Lage die Anzeichen der Trendwende zu erkennen, und sich darauf einzustellen. Sein Gewinnpotenzial beträgt über 50% pro Jahr. Eigentlich ist sein Potenzial fast unbegrenzt. Nur sein Ego könnte seine Gewinne begrenzen. Denn hohe Gewinne führen leicht zum übersteigerten Selbstvertrauen, was auf lange Sicht, schwere Fehler begünstigt. Die Größe des Egos ist eine Gewinnbeschränkung.

Beispiel für die Denkweise der Trader-Typen:

Trade-Exit

Bild: Beispiel für einen Long-Trade im DAX-Wochen-Chart mit unterschiedlichen Ausstiegs-Entscheidungen. Die Ausstiegspunkte sind ein Merkmal der Trader-Typen: Sensibelchen (1), Betonkopf (2) und Super-Trader (3)

Im oberen Beispiel zeigen sich die unterschiedlichen Charaktere mit ihren Ansätzen zum Handelsausstieg. Der Einstieg in den Long-Trade erfolgte bei allen Typen durch ein Ausbruchsignal. Der Trade startet erfolgreich durch, und die Positionen befinden sich im positiven Bereich. Nun kommt die unterschiedliche Denkweise zum Tragen.

  • Das Sensibelchen freut sich über die Gewinnposition, und wird mit dem weiteren Kursanstieg immer vorsichtiger. Die Nerven sind im Höchstmaß gespannt, als der RSI seine 70er-Linie überquert. Es ist der Punkt, wo er die Nerven verliert. Schließlich trägt ein überkaufter Markt erhebliches Rückschlagpotenzial in sich. Infolgedessen schließt er seine Position.
  • Der Betonkopf sieht ebenfalls das RSI-Signal, doch er geht von einem sehr langen Trend aus. Seine Nerven sind nicht gespannt, sondern freudig angeregt. Ein Aufwärtstrend kann sehr lange im überkauften Bereich verharren, und den Gewinn noch deutlich erhöhen. Er will seine Position solange im Trend halten, bis ein eindeutiges Ausstiegssignal kommt. Am Punkt (2), mit dem Bruch der unteren Trendlinie, kommt das Signal. Er verlässt den Markt.
    Ein programmiertes Handelsprogramm arbeitet so gut wie nie mit Trendlinien. Das Programm muss immer mathematisch eindeutig sein. So wäre zum Beispiel das Kreuzen eines GDL20 ein Ausstiegssignal.
  • Der Super-Trader versucht immer den Überblick zu halten. Er weiß zwar, dass ein überkaufter Bereich bei der RSI-Linie von 70 beginnt, doch er behält die Nerven. Danach stellt er fest, dass der Markt nach Punkt (1) noch einmal beschleunigt. Für ihn ist das die Bestätigung, die Position offen zu halten. Doch dann kommt eine starke und lange bearishe Candlestick am Punkt (3). Die Candlestick hat starke Merkmale. Sie ist so mächtig, dass sie die vier vorherigen Candlesticks umschließt. Seine sensiblen Alarmglocken schrillen dabei. Danach schaut er zum RSI, und sieht eine kleine bearishe Divergenz oberhalb der 70er-Linie. Das ist für ihn das endgültige Argument, seine Position zu schließen.

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