Wie Sie die Börse zum Stalker macht

Börse kann süchtig machen

OK, ich gebe es zu: Ich gehörte jahrelang zu den „Börsen-Stalkern“. Suchen Sie jetzt nicht in einem Fachbuch nach diesem Begriff. Es ist eine Eigenkreation, die ein gewisses Maß an neurotischen Verhalten am Monitor beschreibt.

Tag für Tag, Stunde für Stunde saß ich vor meinen Bildschirmen, und verfolgte den DAX. Die Arbeit bestand aus Suchen, Beobachten und Handeln. Ich war vernarrt in den DAX.

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Quelle:pixabay

Stalker sind objekt-besessen

Ein herkömmlicher Stalker macht eigentlich auch nichts anderes. Er verfolgt eine Person, er beobachtet sie, und manchmal liebt er sie sogar. Das wichtigste Merkmal des Stalkers ist, dass er versucht, mit einer anderen Person eine unerwünschte Kommunikation oder Annäherung zu erzwingen.
Na also, so war das bei mir auch mit dem DAX. Ich wollte, dass er mit mir ununterbrochen spricht – mir sagt, in welche Richtung er gehen wird. Am besten noch eine erzwungene Kommunikation. Ich wollte sein Prophet sein. Übrigens 85% der Stalker sind Männer. Und ebenso ist es in der Welt der Börse, das männliche Geschlecht überwiegt.

Ein bisschen krankhaft

Das Stalking ist kein anerkanntes Krankheitsbild, und trotzdem haben die meisten Stalker eine „kleine Panne“. Folgt man dem pathologischen Verhalten, so liegt die Annahme nahe, dass ein Trader, der dauerhaftes Intraday-Trading betreibt, irgendwann psychische Probleme bekommt. Er sitzt stundenlang nur herum. Langeweile quält ihn und plötzlich gibt es gewaltige unerwartete Marktbewegungen. Die Aufmerksamkeit wird in der volatilitätsarmen Zeit fast auf null reduziert. Dann springt der Markt, und der Trader ist von den heftigen Schwankungen überrascht.

Vielleicht sind die Marktextreme für den menschlichen Verstand dauerhaft unzumutbar. So erzeugt die Marktruhe eine Unterforderung und Action die Überforderung.

Boreout?

Sicherlich kennen Sie den Begriff „burnout“. Bei einem Burnout-Syndrom fühlt man sich ausgebrannt und erschöpft. Es kann eine Vorstufe zur Depression sein. Das Gegenteil davon ist das Boreout-Syndrom. Es entsteht, wenn eine Person extrem unterfordert ist.
Ein weitgehend unterschätztes Problem ist die Langeweile des Traders. Gefühlsmäßig, ist das Herumsitzen eine unproduktive Arbeit. Weder kleine Kinder, noch Erwachsene sind in der Lage stundenlang still zu sitzen. Unser Gehirn braucht ständige Aktivität und sucht Stimulans. Selbst im Schlaf, wo Muskeln ruhen, träumen wir, und das Gehirn verbraucht so viel Energie wie ein Muskel. Wenn Märkte tage- oder sogar wochenlang vor sich hin dümpeln, dann fehlt der Reiz.
Die Notwendigkeit, einer Stimulans zeigen Versuche, bei denen man Menschen dauerhaft am Träumen hinderte. Traumlosigkeit über einen längeren Zeitraum erzeugt pathologische Tendenzen in den Denkprozessen des Wachzustandes.

Besonders Spielertypen brauchen Stimulans

Die Intensität der Stimulans führt uns zum Trading. Es gibt praktisch keinen Trader, der nicht ein überdurchschnittliches Maß an Reiz benötigt. Es ist Teil der Charakterstruktur eines Traders, ähnlich die eines Spielers. Auch ein Spieler braucht häufigen und starken Reiz – mehr als der Durchschnittsmensch. Deshalb haben Trader und Poker-Spieler so viele charakterliche Gemeinsamkeiten. Der Reiz lässt sich auch noch beliebig steigern, über die Höhe des Kapitaleinsatzes. Sitzen Trader zu lange am Computer, ohne dass sich der Markt bewegt, dann schaffen sie sich selbst den Nervenkitzel. Sie gehen in den Markt, und erweitern ihre persönlichen Trading-Regeln. Was dazu führt, dass sie unterhalb ihres typischen Chance-Risiko-Verhältnisses agieren. Man muss nicht lange darüber nachdenken, dass diese Art von Trading tendenziell eher destruktiv ist, und über längere Zeit keine positiven Ergebnisse einbringen wird. Langeweile führt in der Konsequenz zu Handlungen, die der geistigen Anregung dienen, aber nicht dem Konto.

Unterhaltung oder Business?

Wer Intraday-Trading betreibt, der sollte darüber nachdenken, ob der nächste Trade ein geeignetes Chance-Risiko-Verhältnis bietet, oder ob er zurzeit nur ein wenig Unterhaltung braucht. Der Übergang von einem professionellen Trader zu einem Spieler ist nur sehr klein. Die meisten Trader merken den schleichenden Übergang noch nicht einmal. Die Lösung muss deshalb in Richtung Vermeidung gehen. Grundsätzlich sollte jeder Trader seinen persönlich „richtigen“ Ansatz finden.

Ein Lösungsansatz

Meine eigene Lösung sieht so aus, dass ich irgendwann beschlossen hatte, keine Märkte mehr intraday über Stunden zu verfolgen. Das heißt natürlich nicht, dass Intraday-Trades tabu sind. Meiner Meinung nach reicht es aus, wenn ein Trader sich auf ein bis zwei Trades pro Tag konzentriert. Ideal ist z.B. Gap-Trading oder Trading zu vordefinierten Tageszeiten. Nehmen wir zum Beispiel das Trading mit dem DAX oder Euro-Stoxx50. Wer sich hier ausschließlich auf das Trading zwischen 9:00-bis 12:00 Uhr konzentriert, der sollte ausreichend viele Chancen finden, um kontinuierliche Gewinne aus dem Märkten ziehen zu können. Es sind nur drei Handelsstunden voller Konzentration, aber der emotionale Verschleiß bleibt gering.

Bleiben Sie locker

Top-Trading ist das Ergebnis, aller Anstrengungen sich zu verbessern. Dabei entsteht Kreativität mühelos und auf natürliche Art. Während der Börsen-Stalker immer mit seiner verkrampften Haltung ringt, hat der Top-Trader einen mehr oder weniger entspannten Geisteszustand.

 

 

1 Kommentar

  1. Sicher gut und richtig mit eigener Erfahrung. Es wird ein Unterschied sein, ob ich mit 300,-€ etwas aufbauen will-muß oder obich mit 20.000.- jeden Tag arbeiten kann.Habe schon viel draufgezahlt, aber immer dazu gelernt dank Tills toller Infoarbeit.

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