Widerstände und Unterstützungen für Indizes und ETFs

Keine voreiligen Widerstandslinien ziehen

Innerhalb von Index-Charts sind Widerstände und Unterstützungen an Beliebtheit kaum zu überbieten. Wie selbstverständlich werden sie auch für sehr lange Zeiträume benutzt. Dabei wird übersehen, dass sich Indizes und die dazugehörigen ETFs aus individuellen Komponenten zusammensetzen. Nehmen wir zum Beispiel den S&P500. Er setzt sich aus 500 Aktien zusammen. Bei der regelmäßigen Überprüfung durch die Rating-Agentur Standard & Poor’s werden schnell einmal 30 oder 40 Aktien ausgetauscht. Die Zusammensetzung des Index verändert sich also und damit die Indexstruktur. Gleichzeitig verändern sich auch die etablierten Werte, denn der Index berechnet sich auf Basis der jeweiligen Marktkapitalisierung. Und eine Änderung des Aktienkurses verändert die Marktkapitalisierung des Unternehmens.

 

Aktien / Jahr 1999 2007 2017
Microsoft 604 333 503
Exxon Mobil 278 512 348
General Electric 508 380 263
Google 216 572
Apple 647
Marktkapitalisierung in Mio US-Dollar

 

Tabelle: Veränderung der Marktkapitalisierung ausgesuchter Aktien im S&P500

 

Wieso sollte ein Widerstand aus dem Jahr 1999 heute noch eine Bedeutung haben?

Die kleine Tabelle bedeutender Aktien des S&P500 zeigt die Dramatik der Veränderung. Es gibt erhebliche Schwankungen in der Marktkapitalisierung und somit in der Index-Berechnung. Einige Aufsteiger, wie zum Beispiel das Schwergewicht Apple, zählten 1999 noch nicht zum Index. Innerhalb von 18 Jahren verblieben nur drei Aktien in den Top Ten.

Der S&P500 in 2017 ist nicht derselbe aus 2010, und er ist erst recht nicht vergleichbar mit dem aus dem Jahr 1999. Eigentlich wissen das alle technischen Analysten, und doch wird es sehr häufig missachtet. Infolgedessen muss die Bedeutung eines Widerstandes oder einer Unterstützung mit der Zeit abnehmen.

S&P500 Chart

Bild. Langfristiger Kursverlauf des S&P500

Im oberen Bild zeigen sich die Verschiebungen des Index. Im Bereich von 140 Punkten gab es drei verschiedene Tops. Der Gipfel (1) aus dem Jahr 2000 ist der Maßstab. Der Gipfel (2) führt im Jahr 2007 über den Gipfel von (1), ohne dass es zu einer merkbaren Widerstandswirkung kam. Die Gründe können vielfältig sein, aber es liegt nahe, dass die Zusammensetzung des S&P in den sieben Jahren stärker verändert wurde. Somit wäre nur rechnerisch der Gipfel als Widerstand (1) übertroffen worden.

Ein unsichtbarer psychologischer Widerstand

Was sich nicht geändert hat, ist die Psychologie der Marktteilnehmer. Im Chart sind drei Rechtecke auf unterschiedlichen Kursniveaus eingezeichnet. Alle drei Rechtecke kennzeichnen den gleichen psychologischen Widerstand. So könnte man annehmen, dass der S&P500 beim Gipfel (2) am psychologischen Widerstand vom Gipfel (1) regelkonform – nur etwas verspätet nach unten abgeprallte. Mit anderen Worten, ein unsichtbarer psychologischer Widerstand, der eine breite Linie zwischen (1), (2) und (3) bildet! Der Gipfel (3) wäre demnach aufgrund der veränderten Index-Struktur nur rechnerisch nach unten gerutscht.

Leider lässt sich wissenschaftlich nicht nachprüfen, wo ein psychologischer Widerstand verläuft. Doch vorhanden ist er mit Sicherheit.

Die Marktpsychologie ist das Fundament der Technischen Analyse

Als Technischer Analyst sollte man nun nicht so radikal sein, das Konzept von Widerstand und Unterstützung zu verwerfen. Das wäre ebenso falsch. Wichtig ist es, bei einem Index oder bei einer Aktie über die Entwicklungshistorie nachzudenken.

Nehmen wir das Beispiel „Nokia“. Ein langfristiger und über mehrere Jahrzehnte verlaufender Kurs-Chart kann eine Falle sein. Nokia fing als Papierproduzent an. Danach wurde Nokia Hersteller von Gummiprodukten, Handy-Hersteller und jetzt Telekommunikationsausrüster. Die radikalen Änderungen in der Firmenhistorie sind zu extrem, für eine präzise Technische Analyse. Die Daseinsberechtigung der Technischen Analyse basiert letztlich auf der Marktpsychologie. Ändert sich das Unternehmen, dann trifft das ebenso auf die Psychologie zu. Es gilt die Regel: Je älter ein Widerstand oder eine Unterstützung ist, desto geringer ist die effektive Wirkung auf die Marktteilnehmer.

Diagnose von Widerstand und Unterstützung mit Kurs und Volumen

Die Technische Analyse gibt es schon sehr lange. Doch bisher gibt es kein zuverlässiges Tool, um einen Durchbruch mit hoher Wahrscheinlichkeit zu diagnostizieren. Was man jedoch tun kann, sind ein paar Kriterien herauszufiltern, um einen Durchbruchsversuch wahrscheinlicher zu machen. Dabei ist die Kombination aus Kurs und Volumen eines der besten Mittel. Sie steigert die Durchbruchswahrscheinlichkeit um ein paar Prozent.

IBM Aktie

Bild: Tages-Chart der IBM-Aktie

 

Widerstandsdiagnose mit der IBM-Aktie

Im oberen Chart sind zwei Widerstände prägnant. Der erste befindet sich bei 165 US-Dollar, und er bildete für einen langen Zeitraum eine Obergrenze. Im August 2016 wurde er zuerst berührt. Das Handelsvolumen betrug damals 87289 Stück. Der nächste Versuch, um den Widerstand zu überwinden, kam am 29.09.16. Das Handelsvolumen betrug dann nur noch 33349 Stück. Am Handelsvolumen ist immer der Wille der Marktteilnehmer zu erkennen, um einen Widerstand zu überwinden.

Die Stückzahl war vermindert, und damit lag die Wahrscheinlichkeit eines Durchbruchs niedriger. Viel besser standen die Chancen am 28.11.16. Mit 44359 Stück hätte der Durchbruchsversuch durchaus funktionieren können. Gescheitert ist der Versuch vermutlich am Kursanstieg im November. Der Kurs hatte bis zur Berührung des Widerstands zu viel Weg zurückgelegt. Ein Energieverlust, der mit der Berührung des Widerstandes in eine Erschöpfung endete. Nur wenige Tage später, am 07.12.16, war der Markt bereit, die Hürde zu nehmen. Mit einem Volumen von 43773 Stück konnte der Widerstand durchdrungen werden.

Der Vergleich der Volumina beim Berühren einer Widerstandslinie ist ein grober Indikator für den Durchbruchserfolg. Die Wahrscheinlichkeit des Durchbruchs steigt, wenn die Höhe des Volumens höher ist, als beim Versuch zuvor. Eine sehr einfache Regel, die das Trader-Leben vereinfacht.

Das zweite Durchbruchsbeispiel gibt es an der Widerstandslinie bei 170 US-Dollar. Hier sind die Volumina in chronologischer Folge: 58387 – 33570 – 124951. Sehr auffällig ist der hohe Wert am 20.01.17 mit 124951 Stück. Es ist ein starker Beweis für die Kauflust der Bullen. Der Kursanstieg in Kombination mit der Volumenhöhe ist überzeugend. Von dort aus stieg der Kurs weiter an, und eine kleine Rallye startete.

Nicht eine Candlestick, sondern das Gesamtbild ist entscheidend

Der Tipp mit dem Volumenvergleich bei Widerstandsberührung ist nur ein Puzzle bei der Kursdiagnose. Jeder Widerstandstest sollte mit einem Gesamturteil des Marktes abgerundet werden. Um einen Widerstand zu überwinden bedarf es einer Marktenergie. Die Kursveränderung in Relation zum Volumen zeigt den Weg.

Zu beachten ist unbedingt auch der Trend. Je trendiger ein Markt sich bewegen kann, desto leichter kann er einen Widerstand überwinden. Das bedeutet, in einem Aufwärtstrend reduziert sich die notwendige Volumenhöhe. Befindet sich der Markt demnach in einem Seitwärtsmarkt, dann gelingt ein Ausbruch nur mit überdurchschnittlichem Handelsvolumen.

 

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